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(Translation into english? please use deepl)
Kennt Ihr den St. Olavsleden? Nicht? Aber den Jakobsweg kennt Ihr, oder?
Der St. Olavsleden ist das nordische Pendant zum Jakobsweg. Kaum jemand kennt ihn schon, doch das möchten wir hiermit ändern helfen. Der St. Olavsleden, oder auch der Olavsweg, ist rund 540 km lang und führt von Selanger an der Ostsee (genauer: Bottnischer Meerbusen) in Schweden quer durch Schweden und Norwegen bis nach Trondheim an der Nordsee. Wir werden jedoch nur eine Teilstrecke des St. Olavsleden gehen, nämlich die ersten Etappen von Selanger bis Borgsjö.
Warum wir diese Pilgerreise unternehmen
Eigentlich wollten wir nach dem verregneten Sommer im September 2021 endlich mal wieder in die Sonne fahren, nach Griechenland, mit Vinnie Bomba, unserem geliebten kleinen Ersatz-Zuhause.
Anfang des Sommers jedoch meldete sich eine Organisation bei uns, die sich mit der Entwicklung bzw. der Steigerung der Bekanntheit des Pilgerweges St. Olavsleden beschäftigt. Aufgespürt wurde unser Reiseblog von Andrea Susanne Opielka, die sich als helfende Hand in Deutschland nach geeigneten Partnern umschaut. Sie selbst ist professionelle Pilgerbegleiterin und hat uns zur optimalen Vorbereitung ihren Reiseführer zukommen lassen.
Die Unterkünfte hat die schwedische Projektleitung für uns organisiert (vielen Dank dafür!). Man findet Unterkünfte aber auch bequem über online-Dienste, die Herbergen von B&B, Hostel bis Campingplatz anbieten. Oder man erkundigt sich im Pilgrimcenter vorab.
Wer ist, bzw. war, eigentlich St. Olav?
Der Olavsweg zeichnet ziemlich genau den Weg nach, den der (später heiliggesprochene) Norwegerkönig Olav mit 300-400 Getreuen im Jahr 1030 genommen haben soll, um aus dem Exil nach Norwegen zu gelangen und in Norwegen seinen Platz als König von Norwegen zurückzuerobern und das Reich im christlichen Glauben zu einigen. Das Vorhaben misslang und Olav fiel noch auf seinem Weg 1030 in der Schlacht von Stiklestad in der Nähe Trondheims. Olav wurde heiliggesprochen und der Weg blieb.
Das Besondere am St. Olavsleden ist, dass es sich wirklich um den Originalweg handelt, den damals St. Olav mit seinem Gefolge gegangen ist. Kein Ausweichweg, kein Drumherum. Man wandert buchstäblich in den Schuhen des Königs Olav.
Mittlerweile wurde der Weg zu einem gut begehbaren Pilgerweg ausgebaut und mit einem extrem guten Wegleitsystem professionell beschildert. Allerdings ist man noch weit von einer Bekanntheit entfernt, die es mit dem Jakobsweg aufnehmen könnte und so hat man sich zum Ziel gesetzt, ihm etwas unter die Arme zu greifen – unter anderem mithilfe von Reisebloggern, die ein Stück des Weges bepilgern und über das Erlebte berichten. Und da kommen wir ins Spiel.
Zwar haben wir keinerlei Erfahrung mit sechstägigen Wanderungen von rund 100 km, aber wir haben so große Lust, die Aufgabe zu übernehmen, dass wir Griechenland Griechenland sein lassen. Also fahren wir, ohne Vinnie Bomba, 1.800 km mit dem Auto hoch nach Selanger an den Bottnischen Meerbusen.
Pilgern oder Wandern…
Wo ist der Unterschied? Um ehrlich zu sein: hierauf gibt es keine wissenschaftliche Antwort. Wir vermuten, die Einstellung macht einen Wanderweg zum Pilgerpfad. Aber genau das wollen wir herausfinden.
Reisezeit: September
Wir fahren am Sonntag, 5.9.2021 in Köln los, erreichen Selanger – mit einem Zwischenstop auf Fehmarn und einem in Stockholm – am Dienstag 7.9.21 und treten unsere Pilgerreise am Mittwoch 8.9.21 bis zum Montag 13.9.21 an.
linke Spalte Sandra – rechte Spalte Patrick
Zwar wandern wir zusammen. Dennoch schicken wir eins vorweg: Pilgern macht mit jedem etwas anderes, obwohl es derselbe Weg ist. Deshalb möchten wir unsere Eindrücke getrennt voneinander beschreiben.
Also: zwei Spalten!
Nach unserer Ankunft verbringen wir unsere erste (Pilger-) Nacht in Lilla Äppelgarden (Kleiner Apfelgarten) bei Emily & Patrick und ihren beiden Söhnen, einer sehr herzlichen jungen Familie. Sie stellen ein hübsches Zimmer ganz in der Nähe des Ausgangspunktes des Olavsleden zur Vefügung und verwöhnen uns gleichzeitig mit einem typisch schwedischen Abendessen mit Lachs – und auf Wunsch – auch mit einem Frühstück und einer Wegzehrung.
Am nächsten Morgen stellen wir unser Auto auf dem Parkplatz des Pilgrimcenter Selanger ab, ein umgebauter Bauernhof von 1907, das frisch restauriert im Jahr 2017 eröffnet wurde und allen Pilgern eine erste Anlaufstelle bietet. Hier können sich die Pilger umfassend über den St. Olavsleden und seine Geschichte informieren, Kaffee, Kucken, Sandwiches und Wasser auftanken und, mit ein bisschen Glück … Helen kennenlernen. Helen leitet das Pilgrimcenter. Sie ist unglaublich witzig und warmherzig und außerdem die evangelische Diakonin hier. Helen mag ihren Job, das erkennt man ziemlich schnell an ihrem Engagement und dem interessanten Hintergrundwissen aus erster Hand.
Wir erfahren außerdem, dass sie lange Jahre in Deutschland gelebt hat. Wo? In der Nähe Kölns. In Pulheim, um genau zu sein… also wirklich nur 10 Minuten von uns weg. Unglaublich….
Und dann starten wir: gleich an der neuen Kirche in Selanger, die die über die Jahre verfallene ursprüngliche Kirche abgelöst hat. Ihre Grundmauern sind erhalten geblieben.
1. Etappe: Selanger – Matfors, 16 km
S: Es geht gut los
Die Sonne scheint und es sind 22 °C. Und wir stehen am Anfang unserer Wanderung. Ich weiß nicht, was es wird und was es mit mir macht. Ich bin noch nie mehrere Tage am Stück gewandert, geschweige denn gepilgert. Helen vom Pilgrimcenter sagt, dass vor allem Deutsche, Niederländer und Belgier den St. Olavsleden suchen und lieben, denn sie leben in dichtbesiedelten Gebieten und brauchen dringend Abstand. Sie sagt, dass viele von ihnen Klarheit in den Gedanken finden, manche hören vielleicht die Stimme Gottes.
Mein erster Pilgertag beginnt bei gutem Wetter mit einem leckeren Frühstück. Ich starte als erwartungsfreies Blankoblatt in dieses Abenteuer. Ich will gar nichts vom Tag, außer ihn genießen. Ich bin hier. Ich spüre den Rucksack auf meinem Rücken, schaue meinen Wanderschuhen beim Laufen zu, spüre nach, wie sich mein Körper anfühlt, und gebe mich dann ganz unbefangen der Wahrnehmung meiner Umgebung hin. Wir haben Zeit. Ich gehe ganz langsam, Schritt für Schritt. Bleibe stehen, rieche die Luft, gucke, wie es rückwärts aussieht, wechsel zwischen Fernblick und Detailsicht, beobachte Patrick beim Gehen. Aktives Nichtstun, die Aufbruchstimmung verleiht mir geistige Flügel.
Der Weg ist lieblich und macht den Einstieg sehr leicht. Er schlängelt sich so durch die Felder, vorbei an Bauerhöfen. Mal hier ein kleiner Bach, mal dort eine Blumenwiese, die Apfelbäume tragen schwer an reifen Äpfeln, überall stapeln sich geerntete Heuballen und schließlich treffen wir zum ersten Mal auf den Ljungan-Fluss. Und ich sehe meinen ersten Fliegenpilz in freier Natur. Dann gibt es da noch Theo, von dem uns Emily erzählt hat. Er ist ein Mann über 80 und hat für uns Pilger eine Ruhebank aufgestellt. Es ist ihm eine besondere Passion, den Wanderern ein herzliches Willkommen zu bereiten und ihre Wasservorräte aufzufüllen. Angetroffen haben wir ihn leider nicht.
Nachmittags kommen wir an unserem ersten Hostel mit Blick auf den Ljungan-Fluss an. Es wird betrieben von Kaj Utter, einem Künstler und Weltenbummler im Rentenalter. Sein Domizil ist ein inspirierendes Sammelsurium an Gegenständen, Bildern und Selbstgebautem,- und geschnitztem. Es könnte mit seinen kreativen Wohnlösungen als Vorbild für Robinson Crusoe´s Zuhause gedient haben.
Ich bin erschöpft, richtig erschöpft. Körperlich ausgepowert. Ein herrliches Gefühl. Hatte ich schon lange nicht mehr. Wir könnten die Küche benutzen, aber das Restaurant in der Nähe ruft uns deutlich lauter zu sich.
Um 20.30h liegen wir im Bett. Um 23h bin ich allerdings schon voll ausgeruht und darf nun gucken, wie ich den Rest der Nacht verbringe.
(Bilderreihe – einfach den Pfeilen im Bild folgen)
P: Ganz schön viel Gepäck
Es ist ungewohnt, um die 10 kg an Gepäck auf dem Rücken bzw. den Hüften herumzuschleppen. Aber die Kamera plus Drohne plus weiterem Geraffel, Wasser, Klamotten und Waschutensilien weigern sich standhaft selbst zu laufen. Wird schon gehen…
Die ersten beiden Kilometer verbringen wir auf einer wenig befahrenen Landstraße, die sich durch Wiesen und Felder schlängelt, danach biegt ein Pfad rechts ab und weiter geht es durch noch viel größere Wiesen und Felder, zwischendurch durch ein Waldgebiet. Ruhig ist es hier, richtig schön ruhig. Die einzigen vernehmbaren Geräusche stammen von kleinen Bächen oder Vögeln, von denen es hier jede Menge gibt: Wildgänse, Spatzen, Krähen, Greifvögel, alle da. Zwischendurch laufen wir an vereinzelten Höfen und Häusern vorbei, richtige Ortschaften gibt es nicht. Alles sehr beschaulich und idyllisch. Und so viel Platz überall. Halt Schweden (23 Einwohner/qm; zum Vergleich: Deutschland 233 Einwohner/qm, da weißte Bescheid). Ich konzentriere mich noch sehr auf mein Gepäck, meine Schuhe und wie sich mein Körper so anstellt beim Wandern. Das ist alles noch neu.
Als wir nach etwa 13 km in Matfors am Fluss Ljungan ankommen, unserem ersten Etappenziel, spüre ich meine Hüft- und Nackenmuskulatur deutlich mehr als ich mir wünsche. Aber irgendwie ist es auch ein tolles Gefühl, so einen schweren Büggel so weit geschleppt zu haben. Und das durch eine so schöne Gegend.
Wir finden unsere erste Unterkunft und checken bei Kaj ein, einem 67jährigen Maler, Holzfäller, Holzverarbeiter und nun Rentner, der sich am Rande von Matfors ein ziemlich cooles und uriges Holzhaus samt ebenso urigen angeschlossenen Gästezimmern gebaut hat und uns mit einem großen Glas Wasser und zwei super bequemen Sesseln in seinem Wohnzimmer empfängt. Wir erfahren, dass Kaj ein Fan von monatelangen Fahrradtouren und weiten Reisen ist und dass er sein Haus verkaufen möchte, um nochmal auf ganz große Tour zu gehen, bevor das vielleicht irgendwann nicht mehr möglich ist.
Ein wenig später fallen wir erst in unsere Stockbetten und dann ins Koma.
(Bilderreihe – einfach den Pfeilen im Bild folgen)
Was für unfassbar schöne Bilder, was für ein toller Bericht!! Gratuliere Euch! Eine beneidenswerte Erfahrung. Es ist immer wieder faszinierend was ihr für einen Blick für eine Stimmung oder besonderen Moment habt. Besser kann man das nicht in Bilder umsetzen. Genial!!!
Wow, vielen Dank dafür! Wir freuen uns, dass Dir der Bericht so gut gefallen hat! 🙂
Das sind unglaubliche Eindrücke in einer unglaublich schönen Landschaft!!! Da will ich auch hin!
Lieber René, …wir könnten Dir eine Anreisebeschreibung zukommen lassen ;). Und Kontaktadressen für wundervolle Unterbringungen gleich dazu.
Ich möchte AUCH dahin!!!!!!!!!
Also, man merkt ihr seid Profi Fotografen und könnt die Landschaft toll in Szene setzen, aber das Motiv muss es auch hergeben. Also glaube ich, es ist wirklich so schön dort. Am wichtigsten für mich ist jedoch, dass ich spüre mit welch offenem Geist und liebendem Herz diese Fotos aufgenommen wurden. Die Beschreibungen unterstützen diesen Eindruck und man hat fast das Gefühl dabei zu sein. Danke, dass ihr uns an eurem Abenteuer teilhaben lasst und für die sehr praktischen Tipps.
Freue mich schon auf eure nächste Tour.
Alles Gute, Susanne
Liebe Susanne, hab so vielen Dank für Deinen Kommentar. Es freut uns mächtig zu hören, wie der Bericht bei Dir angekommen ist. Und wenn es schon solche Freude bei Dir auslöst… na, dann werden wir mit Freuden einfach immer weiter berichten :).
Das will ich auch machen. Am liebsten würde ich sofort loswandenr … Ist bestimmt nicht so voll wie ein Mainstream-Pilgerweg. Ich hoffe, ich halte das konditionell durch und bewundere Euch. Für die Packliste empfehle ich noch eine Notfallkarte für den Geldbeutel für alle Fälle. Z.B. mit Infos zu Allergien, Medikamenten, Unverträglichkeiten und einem Notfallkontakt. Ein Ersthelfer findet dann alle wichtigen Infos, auch wenn man nicht ansprechbar ist. Kann man selbst machen, aber sehr einfach auch hier bestellen:
https://gtc.de/notfallkarte-adventure.html
Liebe Grüße Elke
Liebe Elke, danke für den Tipp mit der Notfallkarte. Das wird der ein oder andere hier sicher gut gebrauchen können.
Wegen Deiner Kondition musst Du Dir keine Gedanken machen. Du bestimmst ja die Länge Deiner Etappen selbst und wenn Du keine Kraft mehr hast, hörst Du halt auf. Es soll ja schließlich auch Spaß machen.
Viele Grüße und viel Freude für den Fall, dass Du nun auch wandern gehst.
Sandra